UNDER FEMINIST CONSTRUCTION


Triggerwarnung: Vergewaltigung, Gewalt an FLINT Personen


Am 19. März 1911 feierten Frauen in Europa erstmals den „internationalen Tag der Frauen“.  Seit dem 8. März 1921 – seit genau 100 Jahren – wird er jährlich gefeiert. Seine Ursprünge hat der Tag in der proletarischen Arbeiterinnenbewegung, im Zentrum stand zu Beginn die Erkämpfung des Frauenwahlrechts. Im Januar 1919 konnten deutsche Frauen das erste Mal in der Geschichte wählen und gewählt werden. In der Schweiz mussten Frauen bis 1971 warten, bis sie auf Bundesebene dieses Recht beanspruchen konnten. Die Einführung hing von einer männlichen Volksabstimmung ab, ebenso wie in Liechtenstein als europäisches Schlusslicht, wo Frauen erst 1984 das Wahlrecht erhielten. Auch heute noch gibt es Länder, in denen das Frauenwahlrecht erschwert oder vorenthalten wird. Dazu gehören Bhutan, Brunei und Saudi-Arabien. Als in Deutschland das Wahlrecht für Frauen errungen war, rückten andere Forderungen in den Mittelpunkt des Kampfes, wie beispielsweise Arbeitsschutzgesetze oder das Recht auf eine legale Abtreibung.
Mittlerweile ist der 8. März zu einem Tag geworden, an dem weltweit FLINT Personen (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans) ihre Forderungen auf die Straßen tragen. So haben letztes Jahr am 8. März in Santiago, der Hauptstadt Chiles, rund 2 Million FlINT demonstriert und auch auf den Phillippinen, in Nepal und in Pakistan kämpften sie für ihre Rechte und gegen Gewalt. In Südafrika wird jährlich am 9. August der „National Women’s Day“ gefeiert, der an einen Protestmarsch von südafrikanischen Frauen erinnert, die am 9. August 1956 eine Demonstration veranstalteten, um gegen die Apartheid-Gesetze zu demonstrieren.


CONSTRUCTION AREAS – Baustellen


Doch es gibt auch weiterhin unzählige Baustellen zu verzeichnen, an denen feministische Arbeit geleistet werden kann und muss.Die Corona-Pandemie hat das Leben vieler Menschen weitreichend verändert. Finanzielle Sorgen, soziale Isolation und die Arbeit im Homeoffice oder der Verlust des Arbeitsplatzes belasten viele Menschen. Durch Homeoffice, Kurzarbeit, geschlossene Kitas und Schulen spielt sich seit dem ersten Lockdown fast das ganze Leben zu Hause ab. Mehr Zeit zu Hause bedeutet auch mehr Arbeit im Haushalt und mehr Pflegearbeit. Nach gut einem Jahr Pandemie ist deutlich geworden, dass FLINT Personen diejenigen sind, die die Mehrarbeit im Bereich häuslicher Sorgarbeit übernehmen und dass ein Großteil sogenannter systemrelevanter Berufe von FLINT Personen ausgeführt werden. Für viele kommt es im ohnehin schon belastenden Alltag zu Doppel- und Dreifachbelastungen.Existenzängste, Ausgangssperren und Unsicherheiten belasten Familien und führen nicht selten zu Streit und Gewalt. Das Zuhause war für FLINT Personen auch vor 2020 schon einer der gefährlichsten Orte, doch laut Ärztekammer hat die häusliche Gewalt während der Pandemie deutlich zugenommen. In Deutschland gibt es nach wie vor nicht genügend Beratungsstellen und Zufluchtsorte für FLINT Personen, die das auffangen könnten.Die Isolation und der Rückzug ins Häusliche kann auch ein Privileg sein. Die Pandemie trifft Menschen, die gar nicht die Möglichkeit haben sich zu isolieren, besonders hart. Wohnunglose Menschen sind aufgrund des Mangels an Rückzugsmöglichkeiten nicht nur einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt, auch eine Infektion selbst kann für sie deutlich gefährlicher werden. Sie haben keinen Ort, an dem sie sich auskurieren können und viele von ihnen sind nicht versichert. Die Situation ist für sie besonders bedrohlich. Auch Geflüchtete sind von der Pandemie besonders hart betroffen, vor allem die Menschen in den Lagern an den EU-Außengrenzen. Sie leben unter unmenschlichen Bedingungen auf engstem Raum, haben oft keinen Zugang zu sanitären Anlagen, oft kein Wasser, keine Heizung, kein Strom. Sie warten Tag für Tag auf politische Entscheidungen. Regeln zum Schutz vor Infektionen sind hier kaum umsetzbar.
Am 19.Februar 2020 wurden in Hanau 10 Menschen bei einem rassistisch motivierten Anschlag eines Rechtsterroristen getötet. Der Täter veröffentlichte ein Manifest, in dem er neben Verschwörungstheorien und Rassismus auch „extreme Anspruchshaltungen“ an Frauen stellt und ein misogynes Weltbild offenbart. Er schreibt, er „würde sich mit nichts anderem als dem Besten zufrieden geben“. Die Anspruchshaltung dahinter, angeblich das Beste „zu verdienen“ und seine Ansprüche auf keinen Fall runterzuschrauben, impliziert eine sexistische und herabwürdigende Sichtweise auf Frauen als eine Art (Prestige-) Objekt. Hier wird deutlich, wie Rassismus und frauenfeindliche Ideologien zusammengehen. Dahinter steckt oftmals eine Verschwörung, ein vermeintlich exklusives Wissen darüber, wie die Welt wirklich ist, dass extrem rechte, frauenfeindliche und antisemitische Strömungen miteinander vereint.Auch der Attentäter von Halle, der seine Tat streamte, kombinierte antifeministische, rassistische und antisemitische Inhalte zu einer für ihn plausiblen Verschwörung.Diese Querverbindungen sind gefährlich. Frauenfeindliche/sexistische, rassistische, extrem rechte und antisemitische Ideologien werden durch die Theorie einer Verschwörung, die all diese Ressentiments zusammenbringt, kompatibel und vernetzbar.Rechtsterroristische Anschläge dürfen nicht mehr als Einzelfälle betrachtet werden, sie müssen angemessen eingeordnet werden, um die ganze Gefahr und das rechtsextreme Vernetzungspotenzial offenzulegen und zu sabotieren!
In Polen wurde während der Pandemie im Oktober 2020 ein Gesetz verabschiedet, das der Kontrolle des Körpers und der reproduktiven Selbstbestimmung von gebärfähigen Menschen dient: Schwangerschaftssabbrüche sind in Polen seitdem faktisch verboten. Schon vor der Entscheidung gehörte das Abtreibungsgesetz in Polen zu einem der restriktivsten in ganz Europa. Abtreibungen waren nur erlaubt, wenn das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren bedroht ist, das Kind so stark geschädigt ist, dass es nicht gerettet werden kann, oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Vergewaltigung ist. Am 28.01. wurde dieses Urteil amtlich. Legale Schwangerschaftsabbrüche in Polen sind  damit verboten. Der polnische Staat zwingt somit Schwangere, auch gegen ihren eigenen Willen schwerkranke Kinder, selbst solche ohne Überlebenschancen, zur Welt zu bringen.


UNDER CONSTRUCTION – Es tut sich was


Doch es tut sich was, auch wenn Bürgerliche, Fundamentalist*innen oder Konservative ständig versuchen das Rad der Zeit zurückzudrehen. Es sind feministische Bewegungen weltweit, die täglich hart arbeiten und sich diesen gestrigen Vorstellungen selbstbewusst in den Weg stellen:Es sind die mutigen FLINT Personen in Polen, die sich der rechtskonservativen Regierung entgegenstellen und unermüdlich für das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung kämpfen. Es sind die FLINT Personen in Belarus, die die Proteste gegen das Lukaschenko-Regime maßgeblich mit gezeichnet haben, weshalb dort auch von einer „ersten feministischen Revolution“ die Rede ist. Es ist die feministische Bewegung in Argentinien, die seit über 30 Jahren für das Recht auf Abtreibungen kämpft und ein Ziel nun erreicht hat: in Argentinien wurden letztes Jahr Abtreibungen legalisiert.Es sind die FLINT Personen in Rojava, die für eine gerechtere Gesellschaft und eine bessere Zukunft der Menschen in Nordsyrien kämpfen.Es sind FLINT Personen weltweit, die am 8. März und darüber hinaus ihre Stimme erheben und auf ihre Unterdrückung aber auch auf ihre Kraft und ihren Mut aufmerksam machen. Und auch der internationale Tag gegen Gewalt an FLINT Personen am 25. November bekommt weltweit immer mehr Aufmerksamkeit. Der Tag geht zurück auf die drei Schwestern Mirabal, die sich in der Dominikanischen Republik gegen die Diktatur unter Rafael Trujillo zur Wehr gesetzt haben. Nach monatelanger Folter wurden sie am 25. November 1960 getötet.


UNDER FEMINIST CONSTRUCTION – die feministischen Aktionswochen 2021


Under feminist construction lautet das diesjährige Motto der feministischen Aktionswochen in Bochum. Denn die geschlechtsspezifische Einteilung in bezahlte Produktionsarbeit und unbezahlte Reproduktionsarbeit ist ein wesentlicher Pfeiler des Kapitalismus.Under feminist construction – denn Feminismus ist Arbeit! Er ist ein vielschichtiger progressiver Prozess mit Ecken und Kanten und eine große Baustelle mit Herausforderungen. Jedoch ist er eine Baustelle, die nicht stillsteht, sondern auf der ständig kleine und große Errungenschaften zu verzeichnen sind.Under feminist construction – denn wir möchten zu feministischer Selbstkritik ermutigen.
Euch erwarten Vorträge zu den Themen Care-Arbeit, Sexarbeit, Streik, Revolution, Elternschaft, equal pay, verschiedene Skillsharing-Workshops und vieles mehr.


Under feminist construction! Lasst uns das Patriarchat abreißen! Heraus zum Frauenkampftag 2021!

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