Aufruf zur Demo am 08. März 2019 in Bochum
Wir schreiben das Jahr 2019. Vor 100 Jahren haben die ersten Frauen das Wahlrecht in Deutschland erkämpft, seit 66 Jahren sind Frauen und Männer auch vor dem Grundgesetz gleich, seit 22 Jahren ist Vergewaltigung in der Ehe hierzulande offiziell auch vor Gericht ein Verbrechen. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 22% weniger pro Stunde, als Männer; noch immer ist die Altersarmut von Frauen deswegen höher. Noch immer sind Frauen weltweit täglich psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt, noch immer sind sexistische und misogyne Aussagen und Verhaltensweisen nicht nur salonfähig, sondern auch weltweit vorherrschend. Oft sind es Frauen, die die Übel unserer Zeit doppelt zu spüren bekommen: Kapitalistische (Reproduktions)Arbeit und die daraus resultierende Ungleichheit, verstärkt durch die Not von Kriegen, denen Frauen in besonderem Maße ausgesetzt sind, sind nur zwei der vielen Beispiele. Die Fronten, an denen Frauen heute zu kämpfen haben, sind unzählig.
Aktuell leben wir in einer Zeit, in der autoritär orientierte Gruppen zunehmend versuchen, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Seien es religiöse Fundamentalist*innen oder politische Akteur*innen, die mit ihren Ansichten und Ideen längst überkommen geglaubte Normen wieder aufleben lassen wollen: Frauen und LSBTI* sind von dieser aktuellen regressiven Entwicklung in hohem Maße gefährdet. Länder wie Polen, Ungarn, die Türkei oder die USA illustrieren dies deutlich. Einst erkämpfte Rechte der Frauen, wie das Recht auf Abtreibung, werden zunehmend wieder infrage gestellt oder gänzlich abgeschafft. LSBTI* begegnen einer gesellschaftlichen Stimmung, die ein Leben in Freiheit unmöglich macht. Die aktuelle Konfrontation mit reaktionären Kräften lässt alte Geschlechternormen wieder aufleben, stärkt toxische Konzepte von Männlichkeit und erschwert den Kampf für die Gleichheit aller Geschlechter.
Wir kämpfen weiter!
Trotz alledem weigern wir uns, von diesen Zuständen erschlagen zu lassen und in eine Ohnmacht zu verfallen! „Der Frau bleibt kein anderer Ausweg, als an ihrer Befreiung zu arbeiten. Diese Befreiung kann nur eine kollektive sein.“ Schon vor 70 Jahren hat Simone de Beauvoir diese Einsicht prägnant zusammengefasst, die uns bis heute als kraftvoller Hoffnungsschimmer gilt. Frauen vorangegangener Generationen haben ihren Mut, ihre ganze Stärke und ihr Lebenswerk dem Ziel gewidmet, die Position der Frauen in der Gesellschaft zu verbessern. Aus der Verpflichtung heraus, ihr Erbe fortzuführen, wollen wir den internationalen Frauenkampftag 2019 zum Anlass nehmen, unserer Forderung nach einem Leben in Gleichberechtigung und Selbstbestimmung Nachdruck zu verleihen.
Der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Kampf, von dem jede*r profitiert und an dem jede*r eingeladen ist, teilzunehmen. Gemeinsam wollen wir auf gesellschaftliche Missstände hinweisen und diese ausgleichen. Unsere Maxime heißt Solidarität. Unseren Blick richten wir dabei auf lokale und internationale Zustände, denn die Befreiung der Geschlechter muss global gedacht werden.
Kommt zur Demo am 8. März 2019 nach Bochum!
Beteiligt euch an den feministischen Aktionswochen!
Unter folgendem Link findet ihr das Mobi-Video zur Demo: https://vimeo.com/321341241

Bericht zur Demonstration anlässlich des Frauen*kampftages und des Frauen*streiks 2019 in Bochum am 08.03.2019
Am 8. März, an dem weltweit Frauen* und solidarische Menschen auf die Straße gehen und Aktionen durchführen, fanden auch in Bochum zahlreiche Aktivitäten statt. Zum einen wurde der an diesem Tag stattfindende, übergreifende Frauen*streik unterstützt, weshalb bereits am Vormittag ein Streikfrühstück im Atelier Automatique organisiert wurde. Tagsüber gab es einen Safe-Space, das “Streikbüro” in der Oval Office Bar des Schauspielhauses, in dem Streikenden und solidarische Menschen ein Anlaufpunkt mit Programm und Unterstützung geboten wurde.
Der Höhepunkt der feministischen Aktionswochen in Bochum fand am Abend des Frauen*kampftages statt. Kurz nach 18 Uhr versammelten sich bereits mehrere hundert Menschen am Demotreffpunkt vor dem Hauptbahnhof. Durch die zahlreichen, teilweise im Rahmen der Aktionswochen erstellten Transparente und Schilder, erhielt die Demonstration schnell einen bunten, lebendigen Charakter mit starker Außenwirkung.
Nach der Auftaktkundgebung zog die Demonstration auf zentraler Route in Richtung Rathaus, wo die erste Zwischenkundgebung stattfand. Vor dem Rathaus ertönte der kämpferische Beitrag einer Frau aus Togo, welcher teils als Rede, teils als Gesang vorgetragen, die Rechte von geflüchteten Migrantinnen thematisierte. Unter lila Rauchschwaden und lautstarker Musik weiblicher Interpretinnen zog die mittlerweile auf knapp 1000 Menschen angewachsene Demonstration über Allee- und Rottstraße in das am Freitagabend gut besuchte „Bermudadreieck“. Hier wurde unter zahlreichen Passanten und Passantinnen in Redebeiträgen der Initiative Frauen*kampftag Bochum auf alltäglichen Sexismus sowie Antifeminismus aufmerksam gemacht. Seitens kurdischer studierender Frauen gab es noch eine ergreifende Rede über die Situation der Frauen in Kurdistan. Der weitere Verlauf, mitten durch das Bermudadreieck, wurde lautstark genutzt, um den Gästen der Bars und Restaurants die Anliegen der Demonstrierenden näher zu bringen. Leider wurden die Sprechchöre im vorderen Teil der Demonstration immer wieder von der Lautstärke der Musik übertönt. Nachdem das Bermudadreieck verlassen wurde, bog die Demonstration ins Ehrenfeld ein und führte am zentralen Hans-Ehrenberg-Platz vorbei, in Richtung Schauspielhaus. Ihren feierlichen Endpunkt fand die Demonstration unter den Klängen von „Because the Night“ am Hans-Schalla-Platz, wo in einer Abschlussrede des Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung aus Münster die Abschaffung des skandalösen Abtreibungsparagraphen §219a gefordert wurde. Mittlerweile zeichnete sich ein erfolgreiches Ergebnis der Spendenaktion von Menstruationshygieneartikeln für Mädchen*- und Frauen*notschlafstellen ab. Viele Teilnehmer*innen fanden sich anschließend bei der After-Demo-Party in der Oval Office Bar ein und feierten ihren Erfolg bis spät in die Nacht.
Der 8. März 2019 in Bochum war nicht nur ein voller Erfolg, sondern ist ein Signal. Die zahlreichen und vielfältigen Aktionen sowie der Streik, welche rund um den Frauen*kampftag stattfanden und weiterhin stattfinden werden, zeigen, dass ein dringendes Bedürfnis für diesen Befreiungskampf besteht. Die spektrenübergreifende Zusammenarbeit verschiedener regionaler und subkultureller Zusammenhänge sowie Einzelpersonen macht das breite Bündnis deutlich, was sich gegen die patriarchale, autoritäre Verfasstheit unserer Gesellschaft wendet. Die feministischen Aktionswochen, die noch knapp eine weitere Woche laufen, waren ebenfalls von gutbesuchten Vorträgen, Workshops und Treffen geprägt, die Austausch, Kontroversen und oftmals eine eigene Dynamik entfachen konnten. Die lebendige, fröhliche und trotzdem kämpferische Demonstration von knapp tausend Menschen durch das belebte Bochumer Zentrum spiegelt diese Dynamik eindrücklich wider.
Wir freuen uns auf weitere interessante Veranstaltungen mit euch! Lasst uns am 22.03. gemeinsam überlegen, wie es weitergehen kann – denn es muss weitergehen!
In diesem Sinne:
Enlighten, Empower, Enrage – Feminismus heißt Befreiung!
Eure Initiative Frauen*kampftag Bochum
















